Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung  in Amerika unterscheidet sich sehr von der, die ich aus Deutschland kenne. Wir hatten uns im Vorfeld bereits darüber informiert, besonders Dirk. Es gibt hier nicht so viele Krankenkassen wie in Deutschland und nicht jede Kasse nimmt jeden Patienten auf. Von daher war es schon spannend, überhaupt eine für uns passende Krankenkasse zu finden. Dirk hat eine sehr gute Krankenkasse ausgesucht und den für uns besten Tarif, mit der geringsten Selbstbeteiligung.

Dirk hat bereits eine Sozialversicherungsnummer und nachdem er seine Unterlagen mit der Post bekam, konnte er sich online registrieren. Bei mir sah die Sache etwas anders aus, da ich noch keine Sozialversicherungsnummer habe. Geplant war es schon, allerdings kam da die Ausgangssperre dazwischen. Wenn alles zu ist, geht es mit der Beantragung der Sozialversicherungsnummer natürlich nicht.

Meine Unterlagen kamen ebenfalls mit der Post an. Zur Aktivierung meiner Mitgliedschaft mußte ich allerdings noch auf das Passwort für eine erste Anmeldung warten. Das kam vor ein paar Tagen an. Die Registrierung lief ganz gut. Ich hatte Angst etwas falsch zu machen, deshalb saß Dirk neben mir und gab mir Hilfestellung. Wir konnten gleich nach einem Arzt suchen, der hier in der Nähe ist. Die Krankenkasse hat ziemlich große Ärztehäuser, wo alle Ärzte unter einem Dach sind. Wegen der Corona-Pandemie sind persönliche Arztbesuche momentan nicht möglich. Deshalb wurde mir ein Videogespräch vorgeschlagen, "heute oder morgen" und "später" konnte man anklicken. Ich war etwas irritiert, denn so schnell hatte ich nicht damit gerechnet. Ich klickte auf "später", bekam verschiedene Termine zur Auswahl angezeigt und wählte (nachdem ich Dirks Kopfnicken abgewartet hatte) Mittwoch um 10:40 Uhr. Bis dahin hatte ich noch drei Tage Zeit und ich überlegte mir, was ich dem Arzt sagen soll. Das war bisher in Deutschland schon immer mein Problem, daß mich der Arzt nicht verstanden oder einfach nicht zugehört hatte.

Heute ist Mittwoch (27.05.2020) und ich war wirklich sehr aufgeregt. Ich hatte noch nie eine Videokonferenz und schon gar nicht auf englisch. Man konnte sich schon mal einwählen, aber der Arzt war noch nicht zu sehen. Schließlich bekam ich ein Bild zu sehen. Die Krankenschwester hatte vorher noch Fragen an mich. Sie trug einen Mundschutz und ich konnte sie kaum verstehen. Als sie den Mundschutz ab nahm, wurde es lauter, aber verstanden habe ich sie auch nicht. Zum Glück war Dirk da und konnte die Sache klären. Schwarze haben immer einen so eigenartigen Akzent und sind eigentlich auch immer echt schlecht zu verstehen. Sie fragte, ob wir einen Übersetzer haben wollen und wir wollten. Der Übersetzer wurde dann telefonisch dazu geschaltet, dann kam der Arzt ins Bild und die Krankenschwester klinkte sich aus.

Den Arzt habe ich sehr gut verstanden, bis auf die Worte die ich nicht kannte. Der Übersetzer übersetzte anfangs jedes Wort, später dann nur noch, wenn ich mangels Worte in deutsch antwortete. Dirk meinte, ich hätte das ziemlich gut gemacht. Ich fand mich ganz schlimm, weil mir immer wieder Worte fehlten. Aber letztlich war es vollbracht. Das Rezept für meine Schilddrüsenhormone und die Tabletten für meine Diabetes waren bestellt. Wegen meiner Pille müßte ich noch einen anderen Arzt aufsuchen, wenn die Ausgangssperre vorbei ist. Dann muß noch die Krebsvorsorge gemacht werden, was auch gar nicht per Videokonferenz gehen würde.

Nach dem Gespräch bekam ich nach ein paar Minuten eine Mail vom Arzt, wo er sich für das nette Gespräch bedankt. Im Anschluß waren Anschriften mit Öffnungszeiten aufgelistet, wo ich meine Medikamente bekomme. Es sollte auch Blut abgenommen werden, um den Langzeitzucker zu überprüfen. Das nächste Ärztehaus ist nicht weit von hier und somit fuhren wir dann auch gleich los.

Gegenüber dem Ärztehaus ist ein Parkhaus, was sehr praktisch war. Gleich am Eingang blieben wir stehen, weil noch eine Mutter mit ihren zwei kleinen Kindern da stand. Die Kinder bekamen gleich eine Maske aufgesetzt, dann durften sie weiter gehen. Dann waren wir dran. Wir wurden gefragt wo wir hin wollen, dann wurde uns der Weg gezeigt. Zuerst war das Labor dran. Ich mußte erst eine Nummer ziehen, die dann auch gleich aufgerufen wurde. Am Schalter mußte ich meine Krankenkasse und meine ID vorzeigen. Normalerweise ist das in Amerika der Führerschein, aber den habe ich ja noch nicht. Der deutsche Ausweis funktionierte einwandfrei. Als geklärt war, daß ich auch wirklich ich bin, mußte ich meine Kreditkarte zücken und 15 Dollar bezahlen. Danach bekam ich Aufkleber für die Blutröhrchen und die Wartenummer zurück, wo ein Buchstabe drauf stand.

Das Labor war gleich dahinter. Es war so groß wie eine Arztpraxis in Deutschland. Ich war echt beeindruckt. Es waren Abteile mit Buchstaben versehen. Ich hatte "H" und setzte mich auf den sehr bequemen Sessel. Die schwarze Frau mit Maske habe ich dann besser verstanden. Sie hatte ganz lange Rastalocken, zum Dutt oben auf dem Kopf verknotet - echt schräg - und sie war total nett. Sie nahm mir Blut ab und ich merkte davon gar nichts. Sie nahm eine extra feine Nadel, damit ich nichts merke und abgelenkt hatte sie mich auch. Schwups und schon fertig. Es dauerte keine zwei Minuten, dann war alles erledigt. Wenn ich da an meine Blutabnahmen von früher denke... da liegen echt Welten dazwischen.

Dann ging es zur Rezepteinlösung. Am Eingang stand diesmal ein Mann, der meine Versichertenkarte sehen wollte. Er fragte noch "zwei Rezepte?" und dann durfte ich im Wartebereich sitzen. An der Leuchttafel sollte dann mein Name angezeigt werden, sobald ich dran bin. Auch das dauerte nicht lange, schätzungsweise 10 Minuten. Da waren auch ganz viele Abteile und natürlich alle mit einem Kreditkartenleser davor. Auch hier gibt es eine Selbstbeteiligung, die von Versicherung zu Versicherung und von Tarif zu Tarif unterschiedlich ist. Dann erschien mein Name auf der Anzeigetafel und ich ging zu dem freundlich winkenden Mann mit bunter Maske. Dirk war dabei, was gut war, denn den Mann verstand ich wieder nicht so gut. Er sagte mir, daß sie von dem einen Medikament nicht genug da hätten. Er würde mir erst mal ein paar mitgeben und später könnte ich den Rest bekommen. Dann warteten wir noch ein paar Minuten. Mein Name klingt englisch ausgesprochen ziemlich merkwürdig und deshalb habe ich das auch gar nicht erkannt. Der freundliche Mann mit der bunten Maske winkte mir zu und machte Zeichen, daß ich zum Nachbarschalter gehen soll. Die Frau sagte dann nochmal meinen Namen. Wenn man weiß was es heißen soll, kann man den Namen auch raushören. Erstmal wieder die Versichertenkarte und dann meine ID vorzeigen, die Kreditkarte wurde mit 15 Dollar belastet und dann durfte ich meine Tüte mit den Medikamenten mitnehmen. Die noch fehlenden Medikamente wollte ich nach Hause geliefert bekommen. Ich meine auf der Seite der Krankenkasse gelesen zu haben, daß es nicht extra kostet. Die Rezeptgebühr dafür werden sie vermutlich dann bei der Lieferung mit einem tragbaren Lesegerät einziehen. Na, lassen wir uns mal überraschen.

Alles in allem war es eine Erfahrung der etwas anderen Art. Wir sind beide positiv überrascht, auch wie schnell da alles ging. In Deutschland hätte ich alleine zum Blut abnehmen zwei Termine gebraucht. Heute hatte ich überhaupt keinen Termin und es ging so schnell und unkompliziert. Gut, in Deutschland hätte ich keine 30 Dollar als Eigenleistung gehabt, aber irgendwie muß der Service ja auch bezahlt werden.

Das Parkhaus war natürlich auch nicht kostenlos. Beim Rausfahren habe ich eine Art Roboter gesehen und ich konnte mich nicht mehr halten vor lachen. Dirk mußte noch mal rückwärts fahren, damit ich ein Foto machen konnte. Das Kerlchen fuhr einfach so durchs Parkhaus. Dirk wußte gleich, daß es sich um einen Wachroboter handelte. Davon hatte er bereits gelesen. Beim nächsten Mal mache ich gleich ein Foto, dann ist die Auflösung auch besser als mit 10-fach-Zoom.

Im Gebäude wollte ich keine Fotos machen. Ob es verboten gewesen wäre, weiß ich nicht. Es schien mir aber nicht angebracht, weil auch überall Leute waren.

Nachdem mir Blut abgenommen wurde, bekam ich so ein Band umgewickelt. Das ist wie Malerkrepp und selbstklebend, aber ohne Kleberückstände. Es ging einwandfrei wieder ab.

Den Beipackzettel haben sie mir ausgedruckt und in die Tüte gesteckt. Hier werden die Tabletten abgezählt und dann in so eine Dose eingefüllt. Da steht sogar der Arzt drauf. Das ist wie im Fernsehen.